
Seit 145 Jahren entwässert der Rothschönberger Stolln das
Freiberger Bergbaurevier. Bereits bei seiner Fertigstellung im
Jahre 1877 war er ein technisches Weltwunder und ist nach wie
vor einer der längsten in Funktion befindlichen Entwässerungsstolln
der Welt.
Nach Gründung der Bergakademie Freiberg 1765 erlangte der
Bergbau im Freiberger Revier seine 3. Blütezeit. Allerdings stieß
man durch das Vordringen in immer größere Teufen bald an
technische Grenzen. Probleme bereitete unter anderem die immer
aufwändigere Wasserhaltung, da die Grubenwässer durch den
Tiefen Fürstentolln lediglich ins Tal der Freiberger Mulde abfließen
konnten. Die Lösung dieser Probleme erhoffte man sich durch den
Bau eines neuen, rund 150 m tiefer angesetzten Entwässerungsstolln,
der die Wässer in Richtung Elbe führen sollte.
Am 18. Mai 1837 stellte der sächsische Oberberghauptmann
S. A. W. v. Herder sein Projekt „Tiefer Meißner Erbstolln“ vor,
unterstützt durch Gutachten von J. W. v. Goethe und A. v. Humboldt.
Nach dem Tod von Herder im Januar 1838 wurde das Projekt
geändert und unter K. G. Adalbert von Weissenbach als
Rothschönberger Stolln am 4. Mai 1844 begonnen.
Zwei Teile ergänzen sich zur Gesamtanlage: der Stolln im Revier,
dessen Kosten die vielen Gruben selbst übernehmen mussten,
und der fiskalische Teil, welcher aus staatlichen Mitteln finanziert
wurde.
Zum Bau des fiskalischen Rothschönberger Stolln wurden insgesamt
8 Lichtlöcher abgeteuft, wodurch an 17 Orten gleichzeitig
gearbeitet werden konnte. Zur Energieversorgung der Wasserkraftmaschinen
am IV. und V. Lichtloch wurde ein 3557 m langer
Kunstgraben angelegt, entlang dessen Trasse heute die „Grabentour“
verläuft, einer der schönsten Wanderwege in Sachsen.
Zahlreiche technische Neuerungen wurden zum Einsatz gebracht,
wie z. B. die erstmalige Anwendung von Theodolithen durch Prof.
Julius Ludwig Weisbach.
Zur Beschleunigung der letzten Arbeiten in der Nähe des VIII.
Lichtlochs beschloss man den Einsatz von Bohrmaschinen, wozu
eine aufwändige „Luftcompressionsmaschinerie“ mit Dampfkessel,
Kompressor, Windkessel und Rohrleitungen installiert werden
musste. Dadurch gelang es, im letzten Jahr der Bauarbeiten die
erstaunliche Strecke von 212 m Stolln aufzufahren.
Nach fast 33-jähriger Bauzeit erfolgte am 21. März 1877 schließlich
der letzte Durchschlag und dann bereits am 12. April 1877 die
feierliche Einweihung des fiskalischen Rothschönberger Stollns
an ebenjener Stelle in 142 Tiefe in Gegenwart des Finanzministers
Freiherrn von Könneritz und einer zahlreichen Versammlung von
Mitgliedern der Königlichen Staatsregierung und Beamten des
Freiberger Revierausschusses und der beteiligten Gruben.
Zur Gesamtlänge von 50,9 km trägt der fiskalische Teil des Stollns
13,9 km bei, der ein durchschnittliches Gefälle von 3 cm auf 100 m
aufweist. Durch seine Maße von 3 m Höhe und 1,5 m Breite (vom
VII. Lichtloch bis zum Mundloch 2,5 m) führt er durchschnittlich
40 m³ Grubenwasser pro Minute aus dem Freiberger Revier ab.